Pulver und Pasten – Zur Kulturgeschichte der Bronzemörser

Als kostbare Gaben zu besonderen Feierlichkeiten haben Mörser aus Bronze seit dem späten Mittelalter auch in Friesland Tradition. In unserer Sammlung und in privaten Haushalten befinden sich seltene Stücke aus dem 16. bis frühen 19. Jahrhundert, die mit ihren Inschriften und Verzierungen auf ihre Besitzer und deren Leben verweisen. Stilistisch und aufgrund ihrer Herstellungstechnik wird auch hier die enge Verbindung des norddeutschen Raumes mit den Niederlanden sichtbar.

Als repräsentativer Gegenstand dienten diese Stücke dazu, feine Pulver und Pasten herzustellen. Der Gebrauch von Gewürzen und Arzneien war hier Statussymbol und der Besitz der kostbaren Mörser auch eine Kapitalanlage. Zudem konnte man mit Inschriften, Ornamenten, Gravuren dauerhafte Erinnerungsstücke schaffen.

Mörser mit Inschrift:
C.CHRISTIANS: HILKE MARGER.S.F.
Bronze, 1803
Mörser mit Inschrift:
MARKUS.MARCSEN.HEFT.MY.GE.GOOTEN
Bronze, 1718
Gegossen, geprägt, punziert
Mörser als Nebenprodukt von Glocken- und Geschützgießern

Der Bronzeguss war im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit ein spezialisiertes Handwerk. Die Kupfer-Zinn-Legierung weist beim Mörserguss zumeist einen Zinnanteil von 20 % auf. Zum einem gab es Wandergießer, die größere Glocken gleich in der Nähe des späteren Standortes gegossen haben und dann als Nebenprodukt auch den Guss von Mörsern im Wachsausschmelzverfahren angeboten haben.

In größeren Städten hatten sich zudem Gießerwerkstätten etabliert, die nicht nur Glocken oder Geschütze, sondern auch Mörser und anderes Kleingerät gegossen haben. Diese konnten hochwertige dickwandige Mörser mit Inschriften und aufwendigen Verzierungen herstellen. Grapengießer oder später die Rotschmiede produzierten im 19. Jahrhundert dünnwandigeres Gerät aus Messing (eine Kupfer-Zink-Legierung) im Sandgussverfahren.

Glocke
des Jeverschen Waisenhauses
Bronze, 1765
Hersteller: Claudius Fremy
Prachtmörser
Der Grafen von Aldenburg und Kniphausen
Bronze, 1664
Heimatmuseum Varel
Mörser mit Meerwesen
Herstellungsort: Bremen
Bronze, 1664
Inschrift: ME FECIT BREMEN ANNO 1664
Mörser mit Jagdfries
Bronze, um 1770
Hersteller: vermutl. Glockengießer Mammeus Fremy, Heidefeld
Geschichte und Erinnerung – Mörser als Repräsentations- und Memorialobjekt

Da der Materialwert hoch und die Herstellung auswendig war, wurden Bronzemörser zumeist als Auftragsarbeit gefertigt. Insbesondere die gegossenen Inschriften sollen dauerhaft an ihre Besitzer erinnern und von ihrer Geschichte erzählen.

Sie wurden oft über Generationen hinweg vererbt und an gut sichtbaren Stellen in den repräsentativen Wohn- oder Geschäftsräumen präsentiert. Mit Namen, Hausmarken oder einer Jahreszahl sowie dekorativen Elementen versehen repräsentieren sie im Haushalt Beständigkeit und Tradition.

Der Pastor in Wüppels
Bronze, 1580, mit Stößel
Inschrift: M JOHANNES CRONEBERGVS ANNO 1580
Darunter eine Gravur: Wassermann und Meerjungfrau, dazwischen ein Storch
Die Reformation ist im Jeverland in einem langen Prozess eingeführt worden. Die evangelischen Theologen, die ab 1530 die Pfarreien besetzten, kamen aus ganz Deutschland und studierten an den lutherisch geprägten Universitäten. Johannes Cronberg hat in Rostock studiert und dort seinen 1576 Magister absolviert. Er übernahm 1609 das Pastorenamt von seinem Schwiegervater Johann Liebfeld in Wüppels, dem „calvinische“ Gesinnung nachgesagt wurde. Die Sitte sich durch Hochzeit mit einer Pastorentochter die Amtsnachfolge zu sichern, lässt sich im Jeverland in dieser Zeit des Öfteren nachweisen. Am 31. Juli 1610 starb Cronenberg und wurde in der Stadtkirche zu Jever begraben.
Der wohlhabende Landwirt aus Butjadingen
Bronze, 1664
Mit den Hausmarken der Familien von Essen und Ikes
Delphinhenkel, umlaufende Inschrift: Ico von Essen Ripperich Ikes,
gegliederte Wandung mit Profilen, Dekorbändern mit Früchten, Tieren und Arabesken.
Sammlung Tiesler
Als 1664 in Tettens (Butjadingen) zwei Familien eine Allianz eingingen, wurde dieser Mörser als Zeichen ihrer immerwährenden Verbindung gegossen.
Die jüdische Familie aus Neustadtgödens
Bronze mit Stößel
Inschrift: Zum Andenken an Familie Richard Stein Neustadtgödens 1940
Landrichterhaus Neustadtgödens
Richard Stein wurde 1885 in Neustadtgödens geboren und war mit Rosa Stein geb. Wertheim verheiratet. Das Paar hatte zwei Kinder: Emma und Kurt. In der Pogromnacht 9./10. November 1938 wurde der Kaufmann Richard Stein inhaftiert und in das Konzentrationslager Sachsenhausen deportiert (bis zum 6.Dezember 1938). 1940 wurde die Familie von der SS in ein Lager nach Bremen verbracht und im November 1941 über Hamburg ins Ghetto Minsk verschleppt. Dort wurden die Eheleute Stein, ihre Tochter Emma und Röschen, die Schwester Richards 1942 ermordet.

Der Mörser wurde im Jahr der Deportation mit der Gedenkschrift ausgestattet und von einer Nachbarin verwahrt.

Gewürze und Spezereien – Mörser in der Küche

Der Gebrauch von Gewürzen in der Küche spielte für die Speisenbereitung auch in Friesland eine wichtige Rolle. Neben einheimischen Küchenkräutern, wie Bohnenkraut, Fenchel oder Liebstöckel, kamen auch exotische Gewürze zum Einsatz. Pfeffer, Kümmel oder Anis wurden auf den überregionalen Märkten in Bremen und Emden in getrockneter Form eingekauft und dann von speziellen Gewürzhändlern in der Region vermarktet.

Erst in der heimischen Küche wurden die harten Kerne, Kapseln oder Schoten im eigenen Mörser zerrieben, zerstoßen und zu feinen Pulvern und Pasten verarbeitet. Sie machten auch fade Breie oder Eintöpfe schmackhaft und bekömmlich.

Eine barocke Küchenszene, Schlossmuseum Jever
Eine barocke Küchenszene

Diese Küche wurde vor rund 100 Jahren im Schloss als musealer Schauraum eingerichtet. Sie zeigt einen offenen Kamin und zahlreiches Küchengerät. Mit den Mörsern konnte man die feinen Gewürzmischungen für die winterlichen Köstlichkeiten herstellen.

Und hier zwei leckere Rezepte mit gemörserten Gewürzen:
Dicke Süster (Holländischer Kuchen)Neejahrskoken
1 Pfund gute Butter lange rühren, bis sie sahnig wird, 4 ganze Eier und 4 Eigelb dazu geben. Dann 1 ½ Pfund feines Mehl, ca. ¼ l angewärmte Milch und aufgelöste Hefe vermengen. Dann in kleine Würfel geschnittene Succade, gemörserter Kardamom, Canehl und Zitronenschale, sowie jeweils ¼ Pfund gereinigte Rosinen und Korinthen dazugeben und alles gut vermischen. Die Masse in eine mit Butter ausgestrichene und mit Zwiebackstreusel ausgestreute Kuchenform geben, alles noch einmal warm stellen und gehen lassen, anschließend den Kuchen im Ofen ca 1 Stunde backen.
(Rezept nach: Bernhardine Westing, Die Wangerooger Küchen 1857)
Ein Pfund weißer Kandiszucker in einem ½ Liter heißem Wasser auflösen und wieder abkühlen lassen. Ein halbes Pfund Butter verflüssigen, abkühlen lassen und schaumig schlagen. Dann nach und nach 4 Eier und 1 Esslöffel fein gemörserten Anissamen und 2 Eßlöffel fein gemörserter Kardamom dazugeben. Nach und nach ein Pfund Mehl einrühren. Dann den Teig über Nacht stehen lassen. Der Teig wird dünn im Eisenkucheneisen ausgebacken und anschließend eingerollt. In einer Blechdose bleiben die Krüllkuchen knusprig und werden am Neujahrstag gerne verschenkt und mit Freunden genossen.
(Rezept nach: Bären-Apotheke, Jever)
Arzneien und Medizin – Mörser in der Apotheke

Der Gebrauch der Mörser und ihre Weiterentwicklung für pharmazeutische Zwecke hängt enge mit der Privilegierung von Apotheken seit dem Spätmittelalter zusammen. In unserer Region wurden die ersten Apotheken im 17. Jahrhundert durch den Landesherrn eingesetzt – und auch die ältesten Apothekermörser datieren in diese Zeit. Die verschiedenen Arbeitsgänge zu Medizinherstellung erforderten Mörser in unterschiedlichen Größen und Materialien. In eigenen, oft im Keller untergebrachten Stoßstuben wurden die Ingredienzien zerstampft, zermahlen und zerrieben.

Ende des 18. Jahrhunderts setzte sich der wissenschaftliche Nachweis der Giftigkeit von Grünspan mehr und mehr durch. Die Möglichkeit harte Porzellanmörser herzustellen, wies den alten Bronzemörsern in den Apotheken dann eine rein repräsentative und dekorative Funktion in den Geschäftsräumen zu.

Löwenapotheke Jever
Mörser mit Postament
Bronze, 1768, Postament Mitte 18. Jahrhundert
Löwenapotheke Jever
Die Löwenapotheke wurde bereits 1615 mit einem Privileg ausstattet. Sie ist eine der ältesten Apotheker in der Region, die heute noch existiert.

1768 ließ Elisabeth, die Tochter des Apothekers Melchior Hemcken, diesen Mörser gießen. Im zeitgenössischen Postament konnten Rohstoffe für die Arzneiherstellung aufbewahrt werden.

Burgapotheke Ovelgönne
Bronze mit Stößel aus Eisen
Inschriften: 1730 mit Wappenkartusche C x N x K
Sammlung Tiesler
Die älteste Apotheke in der Wesermarsch wurde 1677 gegründet und bestand bis 2012. Die Initialen verweisen auf den Apotheker Christian Nicolaus Kelp (1712-1751), der den Betrieb rund 20 Jahre lang führte.
Hofapotheke Oldenburg
Bronze 1684
Hersteller: Johann Otto Kröger
Inschriftenbänder: JOHANN OTTO KROGER HAT MICH
EILARD OLTMANS…MICH GOT ERNEHREN…. MICH NIEMAND WE
Sammlung Tiesler
Die Oldenburger Hofapotheke wurde 1620 gegründet. 1651 erhielt der Apotheker Balthasar Dugend sein Privileg durch Graf Anton Günther.
Und hier zwei Arzneirezepte mit gemörserten Kräutern in der Erkältungszeit:
Hustenbonbons mit gemörsertem Salbei und/oder ThymianAnisbutter
  • Getrockneter Salbei wirkt entzündungshemmend und ist ein guter „Halströster“
  • Getrockneter Thymian wirkt schleimlösend und erleichtert das Abhusten
  • Die Kräuter im Porzellanmörser fein zerstoßen und reiben bis ein feines Kräutermehl hergestellt ist.
  • Eine Handvoll Zucker in der Pfanne karamellisieren lassen und anschließend ohne weitere Hitze 3 Esslöffel Honig dazu geben und vermengen.
  • Dann nach Geschmack die gemörserten Kräuter zusammen oder einzeln unterrühren.
  • Die zähflüssige Masse mit einem Löffel auf Backpapier tropfen lassen. Wenn die Tröpfchen etwas abgekühlt sind, kann man sie mit Wasser befeuchteten Fingern zu kleinen Pastillen drehen.
  • ist sekretlösend und unterstützt das Abschwellen der Schleimhäute,
  • ist ein milder Erkältungsbalsam, der entkrampfend und antibakteriell wirkt.
  • Den Backofen auf ca. 70 Grad heizen.
  • Ca. 5 g Anissamen im Mörser gründlich zerstoßen, so dass die ätherischen Öle freigesetzt werden.
  • Ca. 50 g geklärte Butter im Wasserbad erhitzen und schmelzen lassen.
  • Den gemörserten Anis dazugeben und alles in ein sauberes Glas mit Schraubverschluss füllen, gut verschließen und für 2-4 Stunden in den erwärmten Backofen stellen, ab und zu schütteln, damit sich alles gut vermischt.
  • Anschließend die Anisbutter filtern und in kleine verschließbare Gläschen füllen, kühl lagern.
Mörser-Galerie