Ein Selbstversuch zum Thema: Hungerwinter in Deutschland 1946/47 [Blog]

Mit Schülern der Klasse 8 b des Mariengymnasiums Jever

Nachkriegszeit: Das zerstörte Köln 1945. Foto: Pixabay
Nachkriegszeit: Das zerstörte Köln 1945. Foto: Pixabay.

Hunger ist ein Gefühl, dass die fünf 13-jährigen Schüler vom Mariengymnasium in Jever bis vor kurzem nicht kannten. „Es ist ja eigentlich immer und überall etwas zu essen da, die Süßigkeiten sind immer im Küchenschrank“, beschreibt Elias aus der 8 b die Lebensmittellage in seinem Haus. Elias und vier seiner Mitschüler sind Mitglieder der Interessengemeinschaft (IG) „Die jungen Schlossführer“.

Jeden Dienstag treffen sie sich im Schlossmuseum Jever mit Museumspädagogin Elisabeth Wilken um eineinhalb Stunden interessante Schlossprojekte vorzubereiten. Sie sind bereits seit drei Jahren in der Schloss-IG, und haben großes Interesse an Schloss-Themen. Jetzt haben sie sich für einen Selbstversuch zur Verfügung gestellt: Einen Tag lang sollten sie mit relativ wenig Nahrung auskommen mit nur rund 700 Kalorien. Der Selbstversuch ist Teil der aktuellen Sonderausstellung: „Ende und Anfang. Kriegsende und Nachkriegszeit im Oldenburger Land“.

Der durchschnittliche Tagesbedarf an Kalorien für Kinder und Jugendliche lag während des „Hungerwinters“ 1946/47 bei 1500 Kalorien. Dabei sollten sich die Kinder auch ausgewogen ernähren. In den großen Städten hungerten die Menschen. Es gab häufig tagelang keine Nahrungsmittel. Und wenn es etwas Essbares gab, dann vielleicht nur ein paar Kartoffeln oder etwas Brot. Gehaltvolle Lebensmittel, wie zum Beispiel Eier oder Milch, Joghurt, Fleisch und Käse, waren Mangelware. Zucker und Fett gab es nur selten und auch viel zu wenig. Viele Jugendliche litten unter Mangelernährung. Die Folge waren lebenslange Gesundheitsschäden. Hinzu kam im Winter 1946/47 die große Kälte. Viele Menschen starben an Unterkühlung.

Es fällt uns heute in Deutschland schwer, sich die Not der Menschen von damals vorzustellen. Es ging für viele ums nackte Überleben. Vielleicht gelingt es den Jugendlichen, sich mit Hilfe dieses Selbstversuches in die Lage der Menschen von damals hineinzuversetzen.
Die Teilnahme an dem Projekt war freiwillig, und natürlich durften die Schüler mehr essen, wenn sie es vor Hunger nicht mehr aushielten. Wie es Ihnen damit ergangen ist, über ihre Gefühle und Einsichten haben die Achtklässler vor der Kamera berichtet. Tammo hat seinen Tagesablauf aufgeschrieben, Philipp hat mit seinem Handy einen kurzen Film gedreht.

„Mir fiel es schwer, so wenig zu essen. Ich war den ganzen Tag hungrig. Es war richtig schlimm“, beschreibt Phillip seinen Selbstversuch. Er habe den Tag keine Lust zu irgendwas gehabt. Jede Arbeit, auch das Lernen in der Schule sei ihm an diesem Tag schwergefallen. Tammo dagegen fand es ganz in Ordnung, einen Tag lang ganz wenig zu essen. „Ich habe das durchgezogen mit den 700 Kalorien, obwohl meine Mutter sagte, ich soll es nicht übertreiben“, erinnert sich Tammo an die Reaktion seiner Mutter auf das Projekt. Und Elias hatte nur Probleme bei dem gemeinsamen Mittagessen mit der ganzen Familie: „Alle haben was Warmes gegessen, und ich habe an meinem Brot rumgekaut.“

Alle fünf Teilnehmer haben den Versuch sehr ernst genommen und können sich jetzt nach eigenen Angaben besser in die Menschen von damals reinversetzen. Aber in einem Punkt waren sich alle fünf Probanden einig: „Länger als einen Tag hätten wir das nicht ausgehalten“.