Schwerer Stoff fürs Museum: das jeversche Kettenhemd wird neu präsentiert [Blog]

Ein Kettenhemd (in Fachsprache Ringpanzerhemd) ist sehr selten. Wenige Exemplare haben sich in Museen und Sammlungen bei uns im Nordwesten erhalten. Das Stück aus dem Schlossmuseum Jever hat am Ende des letzten Jahres sowohl einen neuen Platz als auch eine überarbeitete Präsentation bekommen: Grund genug, einmal einen genaueren Blick auf das Gewebe aus Ringen zu werfen, das wahrscheinlich aus dem 16. Jahrhundert stammt und bereits damals ausgesprochen wertvoll war, da es in mühsamer Arbeit aus vielen hundert Einzelteilen gefertigt wurde.

Das jeversche Stück besteht aus zwei Einzelteilen, was in der Vergangenheit immer wieder Fragen aufwarf: wie fügte es sich zusammen, wieso sind die beiden Stücke unterschiedlich gefertigt und gehören die Teile prinzipiell zusammen? Hinzu kam, dass sich die beiden unzusammenhängenden Stücke schwer in einer angemessenen Form zeigen ließen: über Jahre hingen sie, mit durchsichtigem Nylonband zusammengehalten, über einem großen Bügel aus Plexiglas. Um das Material nicht weiter zu strapazieren, lagen sie anschließend ausgebreitet in einer Vitrine.

Zuletzt verstärkte sich der Wunsch, die Teile des Ringpanzerhemdes wieder auf einer Figurine zu zeigen, um die Funktion des Stückes anschaulicher werden zu lassen. Da jede Hälfte etwa zwei bis drei Kilo wiegt, musste eine stabile Unterkonstruktion gefunden werden. Nach einigem Suchen entschieden wir uns für eine Holzfigurine, die abgepolstert und mit Stoff bezogen wurde. Das Hemd wurde fixiert und aufgenäht, doch bald war klar, dass das enorme Gewicht dieses mittelalterlichen Schutzanzuges den textilen Unterbau strapazierte.

In dieser Phase, in der wir nach neuen Lösungen suchten, brachte der Besuch eines Studenten, der eine wissenschaftliche Arbeit über Ringpanzerhemden vorbereitete, neue Aufschlüsse und führte zu einer weitergehenden Recherche nach Vergleichsstücken. Diese gab wesentlich Ausschlag für eine Umgestaltung der Figurine, da sich die Erkenntnis durchsetzte, dass die beiden Teile aller Wahrscheinlichkeit nach zu einem Stück gehören. Die rechte Seite ist dabei insofern anders ausgeformt, als dass diese mehr Spielraum für den rechten Arm ließ, der die Waffe führte.

Ebenfalls aufschlussreich war die Annahme, dass beide Teile ursprünglich nicht miteinander verbunden waren, sondern auf einer Art Wams oder Weste fest aufgenäht. Über dieser Konstruktion aus Weste und Panzer wurde wahrscheinlich eine weitere Schutzschicht getragen, allerdings ist das Gesamtgefüge deutlich leichter als ein vollständiges, in sich geschlossenes Ringpanzerhemd, das Arme, Rücken und Brust gleichermaßen abdeckte.

Vor diesem Hintergrund entwickelten wir zusammen mit der Restauratorin Tanja Pieper-Beenken eine angepasste Unterkonstruktion, die nun die unterliegende Weste mit aufgriff. Die Wirkung war ganz erstaunlich, da durch das darunterliegende Kleidungsstück die zweiteilige Ausformung des Hemdes plötzlich einen Sinn ergab. Beide Stücke fügen sich nun ästhetisch zu einem neuen zusammen und lassen das eigentliche Aussehen wieder nachvollziehen. Durch das gewonnene Wissen um die Geschichte dieses „Kleidungsstückes“ konnten wir es wieder angemessen präsentieren.

Nicht nur für Mittelalterfans ein echter Hingucker!

Von Maren Siems, die seitdem überlegt, ob sie nicht auch mal wieder die Nähmaschine aus dem Keller holen sollte, da ihr die Weste so gut gefällt.