Vom Sterben traditioneller Freizeitbeschäftigung [Blog]

Sie kennen sicher den alten Witz: „Treffen sich drei Deutsche, gründen sie einen Verein“. Mal abgesehen davon, dass er gemäß Vereinsrecht schief ist (es müssen sieben Personen sein), prägt er das Bild des Deutschen auch über die nationalen Grenzen hinaus. In ihren Traditionen reichen manche Vereinsformen, etwa Bürger- oder Schützenvereine, bis ins Mittelalter zurück. Die Organisationsformen freilich bildeten sich in Deutschland in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus, in England bereits ein Jahrhundert früher.

Viele Museen spüren seit geraumer Zeit, dass sich hinter der Kulisse eines einst prosperierenden Vereinswesens starke Veränderungen vollziehen, die vielleicht in historischer Perspektive einmal als einschneidender kultureller Umbruch wahrgenommen werden. Insbesondere Traditions- und Hobbyvereine finden keinen Anschluss an die komplexe Gegenwart und lösen sich auf. Ob Schützenverein, Bürgerverein, Heimatverein, Briefmarken- oder Münzfreunde, vom vielzitierten und – geschmähten Kaninchenzüchterverein ganz abgesehen: Die von der bisweilen über ein Jahrhundert zurückreichenden Tradition erzählenden Artefakte dieser Organisationen, gleich ob Königskette, Urkunde oder Fahne, landen nicht selten in den Depots kulturgeschichtlich ausgerichteter Museen und sehen ihrer historisch-kritischen Einordnung entgegen.

Nun fiel mir beim Aufbau eines neuen Bestandes im Bereich Druck- und Gebrauchsgraphik eine kleine Broschüre aus dem Nachlass des aus Jever stammenden Heimatforschers Karl Fissen in die Hände, die in diesen Zusammenhang passt. Das in Deutschland seit Jahrhunderten betriebene Kegelspiel wurde seit Ende des 19. Jahrhunderts, wenn auch häufig in nicht eingetragener Form, landauf-landab aktiv betrieben.

Die zunächst im Freien vorwiegend an Gaststätten im ländlichen Raum angeschlossenen Freiluft-Kegelbahnen wurden spätestens seit Mitte des 20. Jahrhunderts von überdachten, häufig mit dem Prädikat „Bundeskegelbahn“ geadelten Anlagen abgelöst. Insbesondere auf dem Lande und in kleineren Städten blieb der oft als eigentümliche Mischung von Stammtisch und sportlicher Aktivität betriebene Kegelverein bis in die 1990er Jahre populär.

Mit dem zunehmenden Verlust der Bahn-betreibenden Landgasthöfe und wachsenden Imageproblemen verschwindet das Kegeln scheinbar unaufhaltsam aus dem öffentlichen Bewusstsein. Eine Renaissance scheint nicht in Sicht – in den Depots der Museen wartet eine der über ein Jahrhundert populärsten deutschen Freizeitsportarten, gut gepflegt und dokumentiert, auf seine Wiederentdeckung.

Geschrieben von Andreas von Seggern, dessen Eltern über fast vier Jahrzehnte dem Kegelsport im längst aufgelösten Verein „Rollende Kugel“ (Ekern bei Bad Zw’ahn) frönten, der selbst jedoch eher dem Bowling zugeneigt ist.