Als ich vor ein paar Wochen in der Apotheke nach 5 Meter Schlauchverband fragte und ob ich diesen auf Rechnung für das Schlossmuseum Jever bekommen könnte, wurde ich doch etwas irritiert angesehen. Auch meine Mitarbeiter wunderten sich, als mit der Post drei wunderbar nagelneue Unterröcke für mich kamen. „Wozu brauchst Du all diese Sachen?“, wurde ich gefragt.
Sämtliches Material, darunter neben Utensilien zum Nähen, Drapieren und Befüllen auch mehrere Schneiderpuppen, sind in die Werkstatt der Restauratorin Tanja Pieper-Beenken gewandert. Diese hatte sich erboten, obwohl es nicht ihrem klassischen Arbeitsfeld entspricht, mir bei der Präsentation der Hochzeitskleider zu helfen. Als passionierte Näherin macht ihr zum Glück die Arbeit mit Textilien Freude und so hat sie bereits zwei Puppen in ansehnliche Bräute verwandelt. Die Hochzeitskleider, von denen das Früheste aus der Sammlung um 1880 datiert, sind ganz besondere Stücke, die in der nächsten Ausstellung ab März gezeigt werden. Verbinden wir heute mit dem „schönsten Tag des Lebens“ ein herausgehobenes Kleid, das extra für die Trauung ausgewählt und je nachdem sogar nur für dieses Ereignis angefertigt wird, so mussten sich die Frauen in vorherigen Jahrhunderten meist mit einem guten Festtagskleid begnügen, das durch Schleier und Blumenschmuck dem Anlass entsprechend ausstaffiert war. Dennoch handelt es um besondere Kleidungsstücke, die – auch wenn sie nach dem Hochzeitstag immer weitergetragen wurden – gerade aufgrund der Erinnerungen nicht verloren gingen. So wissen wir immerhin noch den Namen der Frau, die das rostrote Turnüren-Kleid mit dem ausladenden, hinteren Rockteil, einem sogenannten „cul de Paris“ im Wangerland trug und damit modisch dem Ideal der Gründerzeit nacheiferte. In dunkelblauer Seide heiratete etwa 10 Jahre später Juliane Janssen in Wilshausen bei Oldorf (ebenfalls Wangerland): Die weiten Keulenärmel des Kostüms, die ein stilistischer Rückgriff auf die Zeit um 1840 sind, erfreuten sich im Historismus eines Comebacks.Jedes Kleid der früheren Jahrhunderte folgt einer Mode, einem Zeitgeschmack, dabei handelt es sich um hand- oder maschinengenähte Unikate. Die Braut von heute kann dagegen aus einer Fülle von modischen Stilen auswählen, von puristisch über romantisch, mit Schleppe oder ohne. Ob im Geschäft gekauft oder vom Designer entworfen entscheidet vor allem das zur Verfügung stehende Budget. Hier gilt: erlaubt ist, was gefällt. Ob das Kleid dann gut verwahrt die nächsten 200 Jahre überdauern wird, hängt wohl stark damit zusammen, wie „schön“ der „schönste“ Tag dann war.
Ach ja, fast hätte ich es vergessen! Die Unterröcke brauchen wir übrigens für die doch zum Teil eher transparenten Modelle, die vermehrt nach 1914 in der Farbe Weiß aufkommen. Und der Verband? Der dient, ausgefüllt mit Watte, als Polster, um die Ärmel plastischer wirken zu lassen. Auch wenn wir am 19. März keine richtige Hochzeit bieten können: es wird auf jeden Fall ein ästhetisches Fest!Von Maren Siems, die selbst in einem bunten Kleid vor 20 Jahren im Schloss Jever JA sagte.