Mit ganz viel Spitze [Blog]

Das würde ich auch tragen, dachte ich im ersten Moment, als ich das Brautkleid sah.

Als ich mich im letzten Jahr für den Praktikumsplatz im Museum bewarb, hatte ich schon mit Brautkleidern gerechnet, schließlich gab es im Sommer 2023 die Ausstellung „Ja, ich will – Heiraten im Oldenburger Land“, nur hatte ich an viel ältere Kleider gedacht.

Im Rahmen dieser Ausstellung gingen im Schlossmuseum viele Schenkungen ein, von Brautschuhen über Kleider und Anzüge bis hin zu erhalten gebliebenen Schleiern. Auch dieses bodenlange, weiße Brautkleid in Empire-Linie kam in die Sammlung.

Für die Datenbank des Museums, mit der die Objekte verwaltet werden, beschrieb ich das Kleid ganz detailliert: Ein schlichtes, weißes Unterkleid wird von wird durch zwei Lagen Tüll bedeckt, die äußere Schicht ist mit floralen Ranken und Kränzen bestickt, welche Rauten bilden.

Die Beschreibung mehr zusammenfassen: Es gibt viele schöne Details, wie die verzierten Knöpfe am Ärmel oder das dekorative Stoffband, das unter der Brust verläuft.

Das Kleid endet in einer kurzen Schleppe. Diese kann mit einem, vermutlich selbst angenähten, Druckknopf am Kleid hochgesteckt werden.

Im Inneren des Kleides, auf Höhe des linken Schulterblattes, befindet sich ein eingebügeltes Etikett in schwarz-weiß, mit der Aufschrift „BERLIN“ am unteren Rand. Im Zentrum zeigt es eine auf einem B tanzende Ballerina. Leider konnten wir die Marke des Kleides nicht ermitteln.

Dieses Kleid schließt eine Lücke, denn vorher gab es im Bestand kaum Kleider aus den 1960er Jahren.

Nachdem bei der Inventarisierung des Kleides einige Fragen offengeblieben waren, riefen wir die Schenkerin an.

Sie konnte uns noch genau berichten, wie sie zu dem Kleid kam: Sie habe es zusammen mit ihrer Mutter gekauft, damals war das Kaufhaus in Hannover unter dem Namen Magis bekannt. Als Mode- und Textilkaufhaus verkaufte es in den Jahren 1938 bis 1988 anscheinend auch Brautmode.

Als wir die Schenkerin fragten, ob sie noch wüsste, wie viel das Kleid gekostet hatte, antwortete sie lachend, dass sie der Preis damals gar nicht interessierte, denn ihre Mutter bezahlte das Kleid.

Am 16. September 1968 heiratete sie in dem Kleid.

Ein weiteres Kleid aus den 1960er Jahren, das ebenfalls vor kurzem in die Sammlung kam, lässt einen schönen Vergleich zu. Es handelt sich um ein sehr schlichtes Kleid.

Man könnte annehmen, dass sich diese Kleider ähneln sollten, da sie aus einem Zeitraum stammen und somit ja vermutlich einem Trend folgen sollten. Anders als das 1968er-Kleid schließen lasse, „empfand die Frau [in den 60er Jahren] die konventionelle Mode des letzten Jahrhunderts als spießig, langweilig und unzeitgemäß. Sie bevorzugte eine bequeme, sportliche und lässige Kleidung, (…). Typisch wurden Miniröcke und kurze Hängerkleidchen“1.

Der Unterschied zwischen den beiden Kleidern besteht nicht nur in ihren Längen, sondern besonders in den Stilen. Das 1968er-Kleid ist besonders klassisch, verspielt und hat romantische Züge. Es betont das Ideal der verhüllten, „jungfräulich reinen“ Braut.

Im Kontrast dazu steht das Kleid von 1966. Es ist kurz, schlicht und zeigt die Braut als erwachsene, reife Frau. Die Wahl des Kleides war also bereits vor gut 60 Jahren eine reine Frage des Geschmacks. Seitdem hat sich nicht viel geändert, was die Wahl des Brautkleides angeht, jede Braut entscheidet rein nach Geschmack und Vorliebe, denn es gibt nicht mehr das eine Ideal, wie eine Braut auszusehen hat.

Geschrieben von Tomke Stamer, Praktikantin im Schlossmuseum, die sich schon lange für Brautmode und Hochzeiten in vergangenen Zeiten interessiert.

1 Die Frau In Weiß – Die Geschichte des Bürgerlichen Brautkleids von 1800 bis heute, S.32.